Die Gitarristin Steffi Narr erhält den „Kathrin-Preis 2025“
Das in Leipzig lebende Gitarristin Steffi Narr wird mit dem „Kathrin-Preis / Kathrin Lemke Scholarship for Young Jazz Improvisers 2025“ ausgezeichnet. Der Preis ist nach der 2016 im Alter von nur 44 Jahren verstorbenen Berliner Jazz-Saxofonistin Kathrin Lemke benannt, die am 27. September 1971 in Heidelberg geboren wurde.
Gemeinsam mit Kathrin Lemkes Mutter Irene Lemke-Stein, der Mannheimer DESTAG-Stiftung, dem Internetportal Jazzpages und der Zeitschrift JAZZTHETIK stiftet das Jazzinstitut Darmstadt die Auszeichnung, die alle zwei Jahre in Form einer vollfinanzierten, einwöchigen Werkstattphase in Darmstadt gewährt wird.
Bisherige Preisträgerinnen und Preisträger waren der Perkussionist Joss Turnbull (2019), die Saxofonistin Luise Volkmann (2021) und der Kontrabassist Robert Lucaciu (2023).
Die Residenz-Woche mit STEFFI NARR und ihrem Projekt TRANSITIONS findet vom 02. bis 07. Juni 2025 statt. Den Abschluss bildet die offizielle Verleihung des Kathrin-Preises während des Preisträgerinnenkonzerts am 07. Juni 2025 in Darmstadt.
Neben Steffi Narr waren sieben weitere Musikerinnen und Musikern von den Mitgliedern der achtköpfigen Jury für den Preis nominiert: Darius Blair, Bruna Cabral, Friede Merz, Sofia Salvo, Julia Sanjurjo, Benjamin Schaefer und Emily Wittbrodt.
Jury-Begründung Kathrin-Preis 2025:
„Die Jury würdigt die in Leipzig tätige Gitarristin Steffi Narr für ihre musikalische Eigenständigkeit und ihr mutiges, künstlerisch wegweisendes Projektvorhaben ‚Transitions‘, das Musik und visuelle Kunst durch improvisatorische Prozesse zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk verschmilzt. Zum Thema Tod und Trauer verbindet Narr mit ihrem Trio persönliche Erfahrungen mit gesellschaftlichen Fragestellungen auf authentische und vielschichtige Weise. Ihr Ansatz, der Recherche, den Austausch mit der Darmstädter Stadtgesellschaft und innovative Konzertformate kombiniert, zeugt von Steffi Narrs Offenheit und ihrem Bestreben, mit den Mitteln der Kunst tiefere gesellschaftliche Diskurse zu initiieren. Ihre Fähigkeit, klangliche Innovation mit emotionaler Tiefe zu vereinen, hat die Jury nachhaltig beeindruckt und macht Steffi Narr zur verdienten Preisträgerin.“
Informationen zum geplanten Projekt von Steffi Narr: Tod und Trauer musikalisch aus der Tabuzone befreien
Die Leipziger Gitarristin Steffi Narr wagt mit ihrem Projekt Transitions einen Versuch, den Übergang vom Leben in den Tod aus der gesellschaftlichen Tabuzone zu holen und über musikalischen Grenzen hinweg, einen Raum der Auseinandersetzung zu schaffen. Gemeinsam mit dem Schlagzeuger Oliver Steidle und der Multimediakünstlerin Saou Tanaka möchte sie in ihrer einwöchigen Residenz im Rahmen des Kathrin-Preises 2025 – Kathrin Lemke Scholarship for Young Jazz Improvisers ein audio-visuelles Konzert erarbeiten, das eine intensive Auseinandersetzung mit Tod und Trauer widerspiegelt und das Publikum zum Nachdenken und Hineinspüren einlädt.
Narr setzt sich seit vielen Jahren mit den Themen Tod und Trauer auseinander, da sie in ihnen nicht nur eine gesellschaftliche Relevanz sieht, sondern sie auch in ihrer persönlichen Erfahrungen tief verankert sind. Transitions ist für sie der nächste logische Schritt, diese Themen künstlerisch zu beleuchten.
„In der einwöchigen Werkstattphase möchte ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen umfassende Recherchen zum Thema durchführen und mich verschiedenen Fragen im Kontext der Endlichkeitskultur und deren künstlerischen Bearbeitung annähern„, sagt Steffi Narr.
Welche Rolle spielt Musik in verschiedenen kulturellen Kontexten, zum Beispiel in Abschiedsritualen? Warum sind Abschiede in der westlich geprägten Gesellschaftsstruktur oft so still? Wie kann man es schaffen, das Thema in improvisatorische Konzepte zu übersetzen? Was kann man dem Publikum zumuten? Wie kann man es vielleicht auch herausfordern?
Die Zusammenarbeit mit Oliver Steidle und Saou Tanaka fußt auf einer engen kreativen Verbindung. Oliver Steidle und Steffi Narr führen einen starken musikalischen Dialog, der in seinem Facettenreichtum für Narr die Unberechenbarkeit des Lebens widerspiegelt. Saou Tanakas Videokunst ist dazu mehr als die visuelle Reflexion der Musik, sondern soll als ein gleichberechtigtes improvisatorisches Element wahrgenommen werden. Gemeinsam möchten die Künstlerinnen und Künstler dem Publikum einen intensiven Zugang zu ihren Emotionen schaffen.
„Ich möchte einen Raum schaffen, in dem der Tod nicht als Ende, sondern als Übergang betrachtet wird – ein Übergang, der musikalisch, visuell und im Dialog mit Expert*innen erforscht wird. Die Residenz im Jazzinstitut Darmstadt bietet uns die Möglichkeit, diese Ideen in einem intensiven Arbeitsprozess zu vertiefen und weiterzuentwickeln. In der gemeinsamen Arbeit mit Oliver Steidle und Saou Tanaka möchte ich erforschen, wie Musik und visuelle Kunst dazu beitragen können, das Unaussprechliche greifbar zu machen“, resümiert Steffi Narr.
Termin: Steffi Narr wird vom 02. bis zum 07. Juni 2025 in Darmstadt an ihrem Projekt arbeiten. Am Samstag, dem 07. Juni 2025, wird sie bei einem Konzert in Darmstadt offiziell den Kathrin- Preis 2025 entgegennehmen.
Steffi Narr (Gitarre & Komposition)
Die 1986 geborene Gitarristin und Improvisationskünstlerin Steffi Narr stammt ursprünglich aus dem Süden Deutschlands. Sie lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Leipzig und ist tief verwurzelt in der freien Szene der Stadt.
Früh entdeckte sie ihre Leidenschaft für Musik. Sie begann im Alter von acht Jahren Gitarre zu spielen und bekam fortan Unterricht. Nach ersten Konzerterfahrungen während ihrer Schulzeit und ersten internationalen Auftritten als aktives Mitglied der schulischen Jazz-AG in Italien und Frankreich – entschied sie sich, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen.
2008 nahm Steffi ihr Jazzstudium auf, zunächst an der HfM „Carl Maria von Weber“ in Dresden und ab 2010 an der HMT „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig. Während ihres Studiums war sie aktiv in genreübergreifenden und interdisziplinären Projekte eingebunden, was ihre musikalische Entwicklung maßgeblich prägte.
Gesundheitliche Themen und tiefe Einschnitte in ihrer Biografie, wie der Verlust ihrer Mutter im Jahr 2017, führten zu einem persönlichen Rückzug und ihrem Bedürfnis, sich intensiv mit den Themen Tod und Trauer auseinanderzusetzen. „Die Musik trug mich durch diese schweren Zeiten. Die Erfahrungen, die ich darin gemacht habe, beeinflussen bis heute, wie und wo ich mich als Mensch und Künstlerin verorte und wirkten wie ein Katalysator meiner persönlichen und musikalischen Weiterentwicklung.“ Seit 2018 engagiert Steffi sich deshalb ehrenamtlich als Sterbebegleiterin.
2020 stellte eine weitere Zäsur dar. Gesundheitliche Themen und der Pandemie bedingte Stillstand führten Steffi in eine tiefe persönliche und kreative Auseinandersetzung. Sie begann ihre eigenen musikalischen Ausdrucksweisen zu erforschen und begab sich in einen intensiven kreativen Prozess, in dem sie zum ersten Mal ein eigenes Solo-Setup entwickelte. Das war auch die Zeit, in der sich Steffi wieder intensiver dem freien Spiel annäherte. „Ich verbrachte jeden Tag viele Stunden allein in meinem Proberaum und erforschte mein neu entwickeltes Solo- Instrumentarium. […] Ich fühlte mich wie in einem Sog, in einem nie gekannten Fokus, ganz ohne Ablenkung im Außen. Meine langjährigen Bandprojekte waren alle passé und mich zog es wieder zurück in das freie Spiel, das schon immer ein wichtiger Teil meines musikalischen Schaffens gewesen war.“ Gleichzeitig war es eine Zeit, in der sie zum ersten Mal ernsthaft darüber nachdachte, ob sie den Weg als Berufsmusikerin weitergehen wollte. „Zum ersten Mal haderte ich ernsthaft mit meinem Beruf. Ich hatte erlebt, was es in dieser freischaffenden Tätigkeit bedeutet auszufallen und nicht mehr arbeiten zu können, sei es durch eigene Krankheit oder die Pflege einer Angehörigen.“
Die Gründung des Duos mit dem Schlagzeuger Oliver Steidle, das 2021 auf den Leipziger Jazztagen debütierte und ihr erster Solo-Auftritt 2022 im Rahmen der Jazzwerkstatt Bern waren deshalb wichtige Markierungspunkte und notwendige Schritte innerhalb ihrer künstlerischen Weiterentwicklung, über die sie sich dem Berufsbild Musikerin wieder annähern konnte. „Ich stand mit Musikerinnen und Musikern auf der Bühne, deren Platten ich während des Studiums voller Bewunderung gehört hatte und tat, was ich am meisten liebte: Ich machte Musik. Mir wurde bewusst, was das für ein Privileg war. Und nun auch als Solo-Künstlerin allein auf der Bühne zu stehen, veränderte meinen Blick auf mich als Künstlerin und gab mir ein ganz neues Selbstbewusstsein.“